Zweierlei Perspektiven Sven-2
Svens Tagebucheintrag Teil 2
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Landgang.
Richtig ausgeschlafen, wir mussten ja keine Wache in der Nacht schieben, frühstücken wir und schauen uns erstmal um. In der Nacht hat man fast nix gesehen vom Hafen. Ich beschreibe es mal mit…Industrieschick. Ein oller Hafen eben, aber mit Flair durch die vielen Segelschiffe die wie wir vor Anker liegen oder es sich am Schwimmsteg bequem gemacht haben. Alles Weltenbummler die hier vor dem großen Sprung in die Karibik noch einmal halt machen. Martin macht das Dingi klar und fährt zum Hafenoffice. Einklarieren ist angesagt und vielleicht ein Liegeplatz direkt am Steg wäre toll.
Es ist Sonntag und da geht nicht viel in einem sonnigen und gemütlichen Land. Also vorerst 5 Deutsche illegal eingewandert auf die Kapverden.
Aber an Land dürfen wir schon, interessiert hier niemand ob wir angemeldet sind. Also mit Schwung ins Schlauchboot und ab die Post in die Hafenkneipe direkt am Steg. Es ist noch immer richtig Wind und Welle, also richtig…da kommen wir schon klatschnass zu unserem ersten Landgang. Erstmal ein Kaffee, dann ein Bier und da man bekanntlich auf einen Bein nicht stehen kann…na ihr wisst schon.
Dann schlendern wir durch den Ort Mindelo. Hat fast alles zu zum Sonntag. In einem kleinen Laden mit einem freundlichen Eingeborenen 😉
bekommen wir ein Tipp für das Museum gleich ums Eck. 500 Escudos pro Person später laufen wir durch Afrikanische Kriegsmasken, Waffen und Instrumente. Fotografieren und Eis essen ist strengstens verboten, wie die Schilder an jeder Ecke zeigen. Aber Eis haben wir ja keins dabei…
die Fotos sind allerdings ganz gut geworden. Matrosen die über den Atlantik segeln sind eben irgendwie auch Rulebreaker.
Den Sundowner genießen wir am Heck und als Mark und ich den zweiten Captain Morgen mit Cola hinter uns gebracht haben, beschließen wir spontan ins Wasser zu springen. Zack, mit kompletten Klamotten springt unser Binnenschiffer ins Meer und ich hinterher. Coole Socken in Mindelo.
Den Abend haben wir frei. Inka passt auf die Samcat auf (Ankerwache) und wir machen uns mit dem Saxophonist & Skipper Martin in die Hafenkneipe zum Männerabend. Es dauert ungefähr 2 Minuten, da hat Saxophonist Martin einen Typen gefunden der Gitarre spielt. Ja und da war er wieder, der Klebstoff Musik der wahrscheinlich überall auf der Welt sofort Menschen verbindet. Genau wie auf Kreta als ich bereits eine Woche auf der Samcat verbracht hatte. Am Ende in dem kleinen Hafen gab es eine Party mit viel Musik, Tanz und lustigen Fischern mit ihrem selbstgebrannten Raki. Ja Musik verbindet, so auch wieder hier in Mindelo. Schnell sammelt sich um unsere Gruppe und das Minikonzert eine kleine internationale Gruppe. Franzosen, Brasilianer, Einheimische und Andy. Knapp 70 ist er schon über 40 mal über den Atlantik. Ist sein Job, Schiffe überführen in die Karibik. Es ist ein lustiger Abend und als wir etwas angeschwibst wieder an Board kommen, gibt es noch einen Absacker. Gute Nacht Mindelo und gute Fahrt ihr ganzen Matrosen hier auf dem Weg in die Sonne.
Haushaltstag auf der Samcat.
Bei uns im Osten gab es in meiner Kindheit noch den Haushaltstag. Es war völlig normal das auch Frauen arbeiten gegangen sind. Genau wie die Männer hatten sie einen anstrengenden Tag und da blieb wenig Zeit sich um den Haushalt zu kümmern. Da muss wohl jemand in der Deutschen Demokratischen Republik den Einfall gehabt haben, einen Tag nur zum Putzen & Waschen für die Mamas einzuführen. Zack, der Haushaltstag war geboren.
Wir haben heute auch Putz,Wasch-Reparaturtag. So Saharasand ist schön hartnäckig und nur mit Schrubber und viel Wasser abzubekommen. Martin repariert mal wieder meine Toilette und der Rest von uns putzt den ganzen Kahn von oben bis unten, von innen bis außen.
Dann noch das Abdichten einiger Stellen wo Wasser eindringt, soll ja nicht so gut sein bei einem Schiff und fertig ist der Haushaltstag.
Ich bleibe an Board und passe auf den Anker auf als sich die Crew in Richtung Mindelo aufmacht. Ein paar Einkäufe und Besorgungen müssen erledigt werden. Heute Abend ist ein kleiner Gig geplant den Saxophonist Martin gestern in der Bar organisiert hatte. Vorher wollen wir was leckeres essen und suchen bei tripadviser nach guten Restaurants. Vom Braumeistersteak mit Pommes, Filet Mignon mit Pommes über Garnelen mit Pommes versuchen wir uns an der Landestypischen Küche. Das war ein Scherz, könnte man meinen…nööö, gab’s da wirklich und haben wir bestellt. Nur Martin 2 war mutig und hat sich etwas Kapverdisches bestellt. Ich sage mal interessant dazu.
Aus dem Gig in der Hafenkneipe wurde leider nichts, aber dafür erhielten wir ein kleines Privatkonzert von Martin auf der Samcat. Bei Carlos, ja dem Spanier und ein paar anderen Leckereien klang der Abend gemütlich aus.
I can help you.
Wir wollen einen Thunfisch, einen frischen Thunfisch. Also machen Inka, Mark und ich uns los in die Fischhalle. Kein Fisch weit und breit als wir da ankommen, nicht mal Fischer. Die Boote sind noch draußen wegen der Wellen und Thunfisch…ja den hätten sie auf Eis. Wollen wir aber nicht, frisch soll er sein. Da spricht uns ein Einheimischer an, wir sehen auch aus wie die drei Damen vom Grill mit unserer Samcat Berufsbekleidung und sagt i can help you. Na dann los, er kennt sogar jemanden der Köder für unsere Angel hat und frischen Thunfisch. Wir hören noch viele i can help you an diesen Morgen aber frischen Fisch und Köder haben wir noch immer nicht.
Es sind sehr freundliche Leute und ich verstehe das sie Geschäft machen wollen auch wenn sie einen gar nicht helfen können. Man sieht das so viel Arbeit hier nicht gemacht werden muss. Es ist nicht schön in Mindelo, scheint auch nicht so sicher zu sein, den ganzen Sicherheitsleuten an jeder Ecke nach zu beurteilen, aber es ist authentisch. Wie zwei Welten die sich an einem Ort treffen. Auf der einen Seite die Segler die hier einen Traum verwirklichen und sich davon machen nach ein paar Tagen. Und die Einheimischen denen man ansieht das das mit den Träumen schon seit der Kindheit vorbei ist. Sie sehen nicht unglücklich aus, aber eben auch nicht glücklich.
Also alle auf der Strasse gefragt die aussehen als könnten sie Englisch. Köder müssen her, komme was wolle. Die hartnäckigen Deutschen haben dann bei einem Tauchlehrer Glück. Der kennt genau den richtigen Shop für uns. Kleines Missverständnis bei der Preisverhandlung später und wir wandern mit vollgepackter pinkfarbener Plastiktüte aus den besten Angelshop von Mindelo. Gut das wir drangeblieben sind…sehr gut sogar wie sich später zeigen wird.
Tschüss Mindelo.
13 Uhr wir lichten den Anker und ab geht es 2022 Seemeilen in die Karibik. Das Meer ist sehr unruhig und der Wind liegt bei 19 Knoten.
Wir sind alle am Handy und verballern einen Daten-Tagespass für 2,95 Euro nach dem anderen. Nochmal Bescheid geben, nochmal bis bald sagen, nochmal Fotos der bisherigen Reise verschicken und mit den liebsten telefonieren. Es wird ein bisschen still an Board als auch das letzte
3G Funksignal die Samcat verlässt. Jetzt heißt es Rock’n’Roll auf dem Atlantik und es gibt nun kein zurück mehr. Die nächsten Wochen sind wir auf uns gestellt. Müssen untereinander und mit der Natur klarkommen.
Ich habe ein gutes Gefühl und mit dem Sundowner im Bauch beginne ich pünktlich 19 Uhr wieder meine Schicht.
Der Haken, der Gummihammer und eine Flasche Bacardi.
Gestern war ein sehr entspannter Tag. Nachdem ich die Nottasche für alle Fälle gepackt habe und wir den Parasegler gesetzt hatten, ein echtes Teammanöver, geht es mit fast 9 Knoten über die Wellen. Gut, wir hätten fast ein Fischerboot gerammt und einige Strümpfe waren Seekrank, aber wie ich schon sagte…ein entspannter Tag.
Das Universum hat uns heute erhört und uns beschenkt. Nach unzähligen verlorenen und abgebissenen Ködern, einer komplett versengten Hilfsangel, heute nun endlich ein Fisch. Und was für einer…locker 1500 Kilo, na gut 150 Kilo, ja okay 15 Kilo…Angler übertreiben ja immer ein bisschen. Aber Fotos lügen ja nicht, zumindest wenn man wie wir hier kein Photoshop dabei hat, und da sieht man das Monster. Eine Goldmakrele die wir nach Bacardibeteubung und 5 Gummihammerschlägen am Haken haben. Während wir sie bei richtig Fahrt versuchten mit der Angel an Board zu holen, rief ich schon „du wirst uns schmecken“, dass half etwas die Anstrengung zu mindern. Schon erstaunlich was so ein 150 Kilo, ähm 15 Kilo Fisch kämpft. Es ging schnell für ihn und nun liegt er zerteilt mit Butter, Knoblauch und Zitronen im Kühlschrank und wartet auf den Backofen. Er wird uns schmecken heute Abend und morgen Mittag und Morgen Abend.
Kurz vorm Burnout.
Der Fisch hat geschmeckt…und wie. Drei Varianten der Zubereitung haben wir genossen. Inka und ich hatten uns mit leckeren Fisch-Steaks verewigt. Jetzt haben wir vor einen Thunfisch an Land bzw. aufs Boot zu ziehen. Schauen wir mal…
Zum Samstag hat richtig das Wetter aufgefrischt. Mit bis zu 15 Knoten Speed sausen wir über den Teich. Welle und Wind sind echt anspruchsvoll und fordern uns einiges ab. Martin, das Multitalent aller Skipper, macht zum Frühstück lecker Pancakes. Zu dick, zu viel Teig, zu fettig und sooooo lecker. Ich als Teilchenfan komme mal auf meine Kosten.
So langsam macht sich etwas Atlantik-Lethargie breit. Digitales Detox, nix zu tun, Wellen über Wellen…schon entspannend, aber auch ein bisschen langweilig. Alle fangen irgendwie an zu „arbeiten“. Inka putzt mal wieder das Edelstahl, Martin 2 arbeitet mit einem speziellen Buch an seinen Werten, Mark malt Häuser in sein Notitzbuch und Martin bastelt irgendwas an der Samcat rum. Ich mache Jahresplanung für meine beruflichen & privaten Ziele. Irgendwie stehen wir durch den Streß an Board alle fast vorm Burnout. Oder eher Burnin?
Zu meiner Wache heute Morgen 6 Uhr habe ich einen wunderschönen Sonnenaufgang erlebt. Die Natur ist so beeindruckend und ich bin auf dieser Reise schon mehrfach mit Demut in den Augen ins träumen gekommen. „Geweckt“ werde ich durch Martin der aus seiner Kabine kommt und berichtet das ein fliegender Fisch durch den kleinen Spalt seines Fensters geflogen kam. Ob das die Rache für die erschlagene Goldmakrele ist. Greifen uns die Fische jetzt an?
In seiner Kabine stinkt es wie in einer Fischhalle, bei der sie vergessen hatten mal durchzuwischen die letzten 14 Tage. Die Dinger stinken echt mega. Naja, Martin und der Fisch haben den Angrif überlebt und so muffelt es zwar etwas in unserem Teil der Samcat, meine Kabine ist genau neben Martin seiner, aber wir nehmen es wie Matrosen.
Die Sundowner, die Sonnenuntergänge und die Gespräche werden immer intensiver. Es macht Spass sich mit den coolen Socken auszutauschen und so langsam sind wir alle warm miteinander. Also auf der Ebene der Gespräche warm, nicht das man(n) das hier falsch versteht. Wir segeln in eine der stürmischsten Nächte seit Start unserer Reise und ich bin heilfroh als die Sonne aufgeht und wir in eine neue Woche starten.
Bergfest und die Glöckner von Notre Samcat.
Es ist Montag und es ist Halbzeit. Wir haben die Hälfte der Strecke geschafft, 1011 Seemeilen liegen nun hinter und noch vor uns. Es ist grau, es regnet und es stürmt aller paar Stunden. Genau das richtige Wetter um einen Filmnachmittag zu machen. Wir sitzen alle im Salon und schauen irgendwas mit Haien. Der Film ist so richtig schlecht, aber eine willkommene Ablenkung vom Boardalltag.
Zur Nacht muss der Para runter. Also bei richtig Wind das Monster einpacken und in der Segelkammer verstauen. Als Martin und ich versuchen die 280qm Segelfläche mit dem Überzieher einzupacken passiert es. Wir beide hängen am Seil und heben ab. Der Wind bläst in das Segel und wir fliegen zusammen über das halbe Vorschiff und landen dann sehr unsanft auf den Knien. Wow, dass war echt Glück, dass hätte böse ausgehen können. Mark hat oben auf der Flybridge versucht das Seil zu halten und hat sich dabei ganz heftige Brandblasen geholt. Mir ist das Seil auch durch die Hände geflutscht und so kann ich auch eine Brandwunde vorzeigen. Bisschen Knie aua, aber ansonsten bei uns allen nix. Da haben wir noch mal Schwein gehabt.Ich sage nur BurnFree Salbe aus der Türkei und alles war wieder halbwegs gut. Wir nehmen uns vor das Manöver nur noch mit Handschuhen zu machen. Schließlich haben wir die Dinger genau dafür ja mitgebracht.
Segeljacken haben wir auch extra mitgebracht und da heute das Wetter echt schlecht ist führen wir uns die Mode gegenseitig vor und machen ein Shooting. Pokerturnier und Hamburgeressen später stürmen wir wieder in die Nacht.
Bella Italia.
Die Tage segeln so dahin, alles wie immer und außer das uns jetzt die fliegenden Fische auch oben auf der Flybridge angreifen, die rächen echt ihren Kumpel die Goldmakrele und es mittlerweile auch in der Nacht durch den umwerfenden Vollmond fast taghell ist, passiert nicht viel.
Das mit dem Angeln ist auch ein Abenteuer. Uns gehen noch Köder, ein paar hundert Meter Schnur und ich weiß nicht wieviel Nerven verloren. Segeln können wir, aber das mit den Fischen will uns nicht gelingen.
Die Natur zeigt sich Tag und Nacht von ihrer schönen Seite.
Noch nie habe ich eine so lange Sternschnuppe gesehen. Oder das der Mond auf der einen Seite (Westen) untergeht und zur selben Zeit im Osten die Sonne aufgeht. Da war sie wieder die Demut die mich ergreift bei diesem Schauspiel.
Außer Algen, es sind riesige Teppiche auf dem Atlantik zur Zeit, angeln wir nix mehr und ich mache Pasta Arrabiata.
Da das Wetter heute besser ist, entwickelt sich daraus gleich ein Italienischer Abend mit gutem Mallorquinischen Rotwein, Deutscher Musik und Dominikanischen Zigarren für Martin und mich. Hinten auf der Terrasse sitzen, trinken und musizieren wir bis spät in die Nacht. Martin der Saxophonist ist auch wieder am Start und es ist toll das wir unsere Bergfest-Party nachholen können.
Weil uns der letzte Abend so gut gefallen hat machen wir heute gleich weiter. Mark und Inka machen Pizza und nach einem Tag mit Flaute entspannen wir bei Vollmond auf der Terrasse.
Karibik Atlantik Racing.
Knapp 9 Knoten Durschnittsspeed in den letzten Stunden vor Barbados. Das ist ja Renngeschwindigkeit. Die letzten 100 Seemeilen vergehen wie im Segelflug und den Para, heute mit Handschuhen, können wir einpacken und verstauen. Das Ding hat uns mal super über den Atlantik gebracht. Wenn das hier ein Segler liest, kauft euch das Teil. Das Schiff ist ruhiger, klar schneller und insgesamt unkomplizierter. Bisschen tricki beim setzen, aber wenn er mal steht dann läuft der Laden.
Als wir Land sehen und wieder Empfang auf unseren Handys haben geht es wieder los. Lebensmeldungen abgeben und mal ein Foto schicken. Das Satalitentelefon an Board hat auch gute Dienste geleistet, aber richtige Kommunikation war da nicht möglich. Wir konnten unseren Liebsten aber Emails schicken. Ich habe auch ein paar mal angerufen. So macht sich keiner unnötig Sorgen und wir hatten ein Stück Heimat.
24 Tage bin ich auf der Samcat. 2962 Seemeilen und damit 5485 Kilometer sind wir seit Fuerteventura gesegelt. Wir haben es geschafft. Jubeln als wir in dem kleinen Hafen vor Anker gehen. Was für eine Reise, was für ein Abenteuer und was für eine tolle Leistung des gesamten Teams. Wir werfen Skipper Martin ins Wasser und springen gleich noch hinterher. Es fällt die Anspannung von allen ab. Diese latente Aufmerksamkeit und das immer gucken das alles läuft. Endlich da, endlich geschafft und alle gesund und nichts groß kaputt an der Samcat. Martin hat einen mega Job gemacht als Skipper. Durch seine relaxte Art und gleichzeitig seine Segelerfahrung, haben wir jede Situation toll gemeistert. Wir Socken sind wirklich gut zusammengewachsen und ich freu mich schon jetzt noch ein paar entspannende Tage in der Karibik zu segeln mit der Truppe. Dadurch das wir so schnell waren haben wir noch Zeit etwas Inselflair zu genießen. Aber jetzt erstmal Barbados entdecken.
2 Kommentare
Steffen Dittmann
Spannender geht es nicht, Dein Tagebuch meine ich, super gemacht, als ob man dabei ist!!
Und was Captain Martin angeht, so ist er eben!!!
Marcus Umlauf
Mega gut geschrieben 🔥